Sich stellen

So klar, wie ich die Zusammenhänge im letzten Kapitel geschildert habe, sieht man sie zunächst natürlich nicht. So klar werden sie aber, wenn man beginnt, sich für die Erfahrung zu öffnen:

  1. Zuerst öffnet man sich für die negative Erfahrung an sich.
  2. Dann beginnt man die Reaktionen auf die Erfahrung zu sehen und stellt sie schrittweise ein: Keine Korrektur von Sitzhaltungen, keine guten Vorsätze, keine Rückenkurs-Anmeldungen, keine Gymnastik-Übungen aus schlechtem Gewissen heraus.
  3. Das lässt die Erfahrung erst recht hochkommen. Und nun heißt es, sich der Erfahrung weiter zu öffnen und möglichst in die Situation hineinzuentspannen. Wie schon erwähnt, geht das vielleicht nicht sofort ganz perfekt. Es beginnt jetzt der Loslösungsprozess von den zugrundeliegenden Ideen und mit diesem Loslösungsprozess, kann man immer besser auf die Reaktionen verzichten und sich immer weiter öffnen.
  4. Man schwimmt jetzt deutlich gegen den Strom: Obwohl da Rückenschmerzen sind, obwohl einem jeder raten würde "Geh in die Rückenschule" und obwohl alle anderen Menschen das tun, tut man genau das nicht. (Außer man möchte es gern.) Denn es ist schließlich auch das, was man schon die ganze Zeit getan hat und die Rückenschmerzen sind trotzdem da. Wie kann es dann die Lösung sein?

Sich stellen kann bedeuten, sich in eine Situation hineinzutrauen, für die es zunächst keine Lösung zu geben scheint bzw. schon gar nicht auf diese Weise (bei der man nicht ganz schnell irgendwas unternimmt). Es bedeutet, sich ganz direkt mit einer Situation zu konfrontieren, die scheinbar unlösbar und aussichtslos ist.

Und das erschafft die Lösung.

Was bedeutet das für das Rücken-Beispiel?

Das Durchleben einer Erfahrung erhellt ihren Hintergrund.

Das Durchleben der Erfahrung ist die unmittelbare Konfrontation mit "Ich schade meinem Rücken."

Es klären sich dadurch mehrere Ebenen. Man beginnt die auslösende Idee zu sehen und auch, wie sie zustande kommt:

Der Hintergrund ist die Annahme, unser Körper könne nicht richtig für sich selbst sorgen:

So wie unser Körper sich verhält, wenn er nicht von rationaler Ebene streng kontrolliert, überwacht und korrigiert wird, zerstört er sich über kurz oder lang selbst.

Das ist eine sehr typische Annahme einer materiellen Weltsicht: Was will man auch erwarten, von einem Körper, der sich durch reinen Zufall durch ein paar günstige Konstellationen aufgrund von Naturgesetzen aus toter Materie entwickelt hat? Nicht viel natürlich.

Aber stimmen sie denn, die Grundlagen einer materiellen Weltsicht? Zum Glück nicht.

Der Körper kann sehr wohl für sich selbst sorgen. Sich selbst überlassen, kommt er ganz hervorragend klar, während man auf rationaler Ebene Kapazität freibekommt für das Wesentliche.

Das ist ein sehr typisches Muster der Entwicklung, über die wir hier sprechen:

Die Ebene des rationalen Verstandes, die Ebene des Alltags-Ich oder auch die Ebene des Egos wird in einer materiellen Weltsicht total überlastet mit Aufgaben, die da nicht hingehören. Das hat natürlich die Kehrseite, dass für die Aufgaben, die auf dieser Ebene eigentlich tatsächlich wahrgenommen werden müssten, keine Kapazität mehr bleibt.

Im Rahmen des hier beschriebenen Entwicklungsprozesses fallen die Dinge in ihre natürliche Ordnung zurück: Der Körper regelt das, was seine Aufgabe ist und auf rationaler Ebene kann man sich dem Wesentlichen widmen oder einfach ein bisschen das Leben genießen.

Es gibt in diesem Gesamtprozess zwei Arten von Verhaltensänderungen:

Für das Rücken-Beispiel sind die Lösungen natürlich höchst individuell von Mensch zu Mensch verschieden. Diese Entwicklung beinhaltet den Fall nicht mehr, dass man sich von einem anderen sagen lässt, was für einen selbst das Richtige ist. Man muss es für sich selbst allein herausfinden:

Entscheidend ist in diesem ganzen Prozess vor allem auch immer, was man eigentlich will.

Das Unnatürliche, Aufgesetzte, Erzwungene ist wohl eher nicht das, was man will.

Das Einfache, Natürliche, Entspannte - das schon eher.

nächstes Kapitel: Lösungsebene (Probleme)