Das Ego muss sterben!

Diese sehr drastische Forderung steht für die verbreitete Diskreditierung von Ego und Verstand über zahlreiche Weisheitslehren hinweg. Den Verstand trifft es wegen seiner engen Verknüpfung mit dem Ego gleich mit.

Das Ego wird für Fehlfunktionen verantwortlich gemacht, die tatsächlich aber nicht durch das Ego entstehen.

Ja, es stimmt: Das Ego maßt sich Aufgaben an, die nicht seine sind. Aber warum tut es das?

Wegen eines Glaubenssystems, das nicht mit der Realität übereinstimmt. Mit besseren Annahmen kann das Ego sehr nützlich sein.

Und warum plappert der Verstand so viel, wie es immer so schön heißt? Hat das etwas mit dem Verstand an sich zu tun? Ganz sicher nicht. Es hat etwas mit den Ideen zu tun, die sein Besitzer in den Verstand hineingeladen hat.

Ego und Verstand für ihre ineffiziente Funktion unter falschen Ideen verantwortlich zu machen, ist auch ein ziemlich feiges Drücken vor der eigenen Verantwortung. Es versteckt sich der hinter seinem Ego und seinem Verstand, der eigentlich dafür verantwortlich ist, was da abläuft.

Das Ego dafür verantwortlich zu machen, dass es die falschen Sachen tun will und den Verstand dafür, dass er nicht zur Ruhe kommt, um sie dann loszuwerden, ist ungefähr so, als würde man einen Computer wegwerfen, nur weil eines seiner Anwendungsprogramme ein paar Fehler hat.

Das wäre wohl ein ziemlicher Quatsch. Aber es ist noch gar nichts gegen die Annahme "Das Ego muss sterben."

Es ist ja so, dass die Diskreditierung von Ego und Verstand tatsächlich zu Bewusstseinserweiterungen (Erleuchtung) führen kann. Es sind dies aber Bewusstseinserweiterungen, denen die Verknüpfung zur materiellen Welt verlorengegangen ist. Das ist nämlich die Funktion des Egos: Es hat eine Mittlerfunktion zwischen innerem Selbst und materieller Welt. Wenn man zu Bewusstseinserweiterungen kommt aufgrund einer weitgehenden Entmachtung des Egos, dann kann man die Erkenntnis aus der Bewusstseinserweiterung nicht in materielle Wirkungen übersetzen. Dann ist man zwar erleuchtet, kann aber beispielsweise nicht vernünftig für seinen Lebensunterhalt sorgen.

nächstes Kapitel: Wünschen aufgeben (Irrtümer und Irrwege)